Dr. Kai Gedeon
Die Kartierung von 80 Millionen Brutpaaren und damit mehr als 400.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit stecken in „ADEBAR“, dem neuen Atlas Deutscher Brutvogelarten (Gedeon et al. 2014). Damit liefert das Werk einen umfassenden Datenfundus zu allen 280 in Deutschland brütenden Vogelarten. Am Gelingen des Projektes waren zahlreiche Akteure beteiligt – bei den Kartierungen, der Auswertung der immensen Datenmengen, der Bereitstellung und Abstimmung fachlicher Informationen, der Abfassung und Korrektur von Texten oder durch finanzielle Zuwendungen und Spenden. Ohne dieses große bürgerschaftliche Engagement wäre ADEBAR – das wohl größte und ehrgeizigste faunistische Kartierprojekt in Deutschland – nicht möglich gewesen.
Im Jahr 2003, also noch vor dem Start des Projektes, traten zwei wichtige Ereignisse ein, mit denen die notwendigen Rahmenbedingungen für dessen Durchführung geschaffen wurden:
Im September 2004 trafen sich in Dessau zahlreiche Vertreter von ornithologischen Landesverbänden und Naturschutzfachbehörden aus fast allen Bundesländern zur ersten ADEBAR-Fachtagung und gaben den gemeinsamen Startschuss für das ehrgeizige Projekt (Gedeon et. al. 2004a).
Kartierung und Auswertung der Daten
Die Meldebögen und Kartieranleitungen wurden zum Jahresbeginn 2005 an die Kartiererinnen und Kartierer ausgeliefert (Gedeon et al. 2004b) und bereits im Sommer 2005 wurden die heimischen Brutvögel in fast allen Bundesländern auf mehr als der Hälfte der Landesflächen kartiert. Bis zum Abschluss der Kartierarbeiten im Jahr 2009 wurde das Artenspektrum auf über 90 Prozent der Landesfläche vollständig erfasst. Im Juni 2010 war es schließlich soweit: die vorläufigen Verbreitungskarten aller mittelhäufigen und seltenen Brutvogelarten wurden auf die Website der Stiftung Vogelmonitoring zur Korrektur und Kommentierung eingestellt. Innerhalb der ersten acht Wochen wurden die Verbreitungskarten knapp 38.000 Mal aufgerufen. Über 7 000 eingegangene Kommentare halfen dabei, die Qualität der Karten zu verbessern. Für die Erstellung der Karten zu den häufigen Arten waren aufwändige Modellierungsarbeiten erforderlich. Die entsprechenden Analysen und Berechnungen wurden 2013 abgeschlossen. In einem letzten Schritt waren die im Rahmen des ADEBAR-Projektes ermittelten Angaben zur Bestandssituation der Vogelarten Deutschlands mit anderen Datenquellen abzugleichen.
Vom Abschluss der Feldarbeiten, über die Aufbereitung und Prüfung der Daten, bis zur Fertigung der Texte 2014 war es ein langer Weg. Die Mühe hat sich jedoch gelohnt. Erstmals für Deutschland wurde eine Datenbasis geschaffen, auf die sich Bund und Länder, Fachbehörden und Fachverbände, bei künftigen Auswertungen widerspruchsfrei stützen können.
Ergebnisse
Aktuell brüten 280 Vogelarten in Deutschland, davon regelmäßig 248 einheimische Arten. Der Rest verteilt sich auf unregelmäßig brütende oder gebietsfremde Vogelarten. Insgesamt brüten hierzulande rund 80 Millionen Vogelpaare. Damit entfällt auf jeden Einwohner Deutschlands ein Vogelpaar. Die mit Abstand häufigsten Arten sind Buchfink und Amsel mit jeweils über acht Millionen Paaren, gefolgt von der Kohlmeise mit mehr als fünf Millionen Paaren. Zusammen mit 19 weiteren Arten, deren Bestände über eine Million Paare erreichen, machen sie 80 Prozent aller in Deutschland brütenden Vögel aus. Diese Arten sind nicht nur sehr häufig, sondern auch weit verbreitet. Etwa ein Fünftel aller einheimischen Brutvogelarten besiedelt mehr als 90 Prozent der Landfläche Deutschlands. Auf der anderen Seite stehen mit knapp 100 Arten etwa doppelt so viele, die auf weniger als zehn Prozent der Landesfläche brüten. Davon sind viele Arten stark gefährdet, wie der Seggenrohrsänger, dessen Bestände sehr stark abgenommen haben und nur mithilfe sehr großer Schutzanstrengungen vor dem Erlöschen bewahrt werden können.
Offenkundig ist, dass viele einst häufige Arten der Agrarlandschaft weite Bereiche des noch in den 1980er-Jahren besiedelten Brutareals geräumt haben. Die Art mit der größten Bestandsabnahme seit Mitte der 1980er-Jahre ist das Rebhuhn, die Art mit den größten Arealverlusten die Haubenlerche, dicht gefolgt vom Vogel des Jahres 2013, der Bekassine. Es gibt aber auch positive Entwicklungen: Das Schwarzkehlchen hat sich zum Beispiel stark ausgebreitet. Auch die Bestände einiger seltener Arten wie Seeadler oder Kranich entwickeln sich positiv. Insgesamt überwiegt aber der Anteil an Arten, deren Brutareal schwindet.
Ausblick
Wir möchten mit dem Appell schließen, dass den Erkenntnissen aus dem ADEBAR-Projekt und dem Vogelmonitoring Taten folgen müssen, die den Erhaltungszustand unserer Vogelwelt spürbar verbessern. Angesprochen sind insbesondere Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Der sich in den letzten Jahren beschleunigende Niedergang insbesondere ehemals häufiger Vogelarten der „Normallandschaft“ muss allen gesellschaftlichen Akteuren eine Verpflichtung sein, umgehend gegenzusteuern. ADEBAR bietet hierfür ausgezeichnete Argumentationshilfen.
Eine Leseprobe zum Atlas Deutscher Brutvogelarten gibt es unter: www.dda-web.de/downloads/adebar/
Kontakt
Dr. Kai Gedeon
Stiftung Vogelwelt Deutschland
An den Speichern 6
48157 Münster
Literatur
Gedeon, K., A. Mitschke & C. Sudfeldt (2004a): Atlas Deutscher Brutvogelarten – Dessauer Tagung gab Startschuss für 2005. Vogelwelt 125: 123–135.
Gedeon, K., A. Mitschke & C. Sudfeldt (Hrsg.) (2004b): Brutvögel in Deutschland. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland, Hohenstein-Ernstthal.
Gedeon, K., C. Grüneberg, A. Mitschke, C. Sudfeldt, W. Eickhorst, S. Fischer, M. Flade, S. Frick, I. Geiersberger, B. Koop, Bernd, M. Kramer, T. Krüger, N. Roth, T. Ryslavy, S. Stübing, S. R. Sudmann, R. Steffens, F. Vökler, K. Witt (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten – Atlas of German Breeding Birds. Herausgegeben von der Stiftung Vogelmonitoring und dem Dachverband Deutscher Avifaunisten. Münster.
Foto oben: Markus Wegner/www.pixelio.de