Gerhard Wolff, 2. Juni 2013
Transparenz, Partizipation, Beteiligung. Das sind die politischen Schlagworte der letzten Monate. Überall will und soll der Bürger mitreden, mitarbeiten und mitentscheiden. Hinzu kommen Begriffe wie open governance und open source, crowdfunding und crowdsourcing. Es findet eine gesellschaftliche Bewegung in vielen Bereichen des Lebens statt – meist aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Bottom-up ist die Devise. Die Piraten versuchen sich gerade daran, dieses Prinzip in der Politik zu etablieren. Die Wirtschaft erhofft sich hier neue Finanzierungs- und Umsatzquellen. Wie sieht es in der Wissenschaft aus?
Gibt es in anderen Ländern – allen voran die USA und Großbritannien – bereits erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Forschern, ist das Konzept einer Citizen Science in der deutschen Wissenschaft noch nicht angekommen. Ausnahmen bestätigen hier natürlich wie so oft die Regel. Auch hierzulande gibt es erfolgreiche gemeinsame Forschung von Profis und Laien. Und nicht erst seit gestern. Nur sind dies Einzelfälle von enormem persönlichem Engagement nicht nur der beteiligten Bürger, sondern auch der Wissenschaftler. Die Communities sind langsam gewachsen. Methoden, Know-how und Tools wurden nebenbei entwickelt, wo es nötig war und wenn die Zeit es zuließ.
Unterstützung von Politik und Förderern gibt es kaum. Es fehlt ein Rahmen, ein Dach, unter das sich alle diese Projekte stellen können. Bevor aber ein solches Dach errichtet werden kann, bevor Citizen Science ihren Weg in die Fachpublikationen und inhaltlichen Diskussionen finden kann, muss das Konzept Einzug in die Köpfe von Wissenschaftlern und Bürgern erhalten. Gut, dass also auch die Medien das Thema für sich entdeckt haben. Schade nur, dass sich die Beiträge so lesen, als sei der große neue Trend bereits überall in Gesellschaft und Wissenschaftseinrichtungen angekommen. Als könnte der interessierte Bürger sofort beim Forschungsvorhaben seiner Wahl mitmachen. Dazu gibt es dann aber leider doch noch zu wenige dieser Projekte. Die Informationen sind verstreut und nicht leicht zu finden. Eine zentrale Anlaufstelle ist erst im Entstehen.
Gleichzeitig identifizieren viele, die selbst als Citizen Scientists tätig sind oder mit ihnen zusammenarbeiten, ihre Forschung nicht als Citizen Science – auch weil es viele verschiedene Ausprägungen dieser Forschungskooperation gibt. Sie erstreckt sich von der Zurverfügungstellung von Rechenleistung des Heimcomputers über Daten sammeln und auswerten bis hin zu einem Forschen auf Augenhöhe zwischen Wissenschaftler und Bürger.
Dort, wo sich diese Unterscheidung von Profi und Laie auflöst, steckt das größte Potenzial von Citizen Science. Es wäre falsch, das bürgerliche Engagement – egal, ob in der Wissenschaft, bei einem Freiwilligen Sozialen Jahr oder bei der Feuerwehr – als billige Arbeitskraft zu interpretieren. Damit tut man den Engagierten nicht nur unrecht, man verkennt auch die Möglichkeiten, die sich ergeben: neue Ideen und Blickwinkel, Kreativität, Neugierde und Forscherdrang, die ungeahnte Impulse für die großen und kleinen Fragen der Wissenschaft geben können.
All dieses Potenzial heißt es zu aktivieren, zu heben – und zu managen. Denn neben den ungeahnten Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Bürgern stehen neue Herausforderungen für das Wissenschaftsmanagement, neue Fragen für das Wissenschaftsmarketing und neue Aufgaben für die Wissenschaftsförderung. Citizen Science ist keine Modeerscheinung, kein kurzweiliger Hype um wenige Hobbyforscher, sondern eine ernsthafte Weiterentwicklung der Forschung. Citizen Science wird ein Teil der Wissenschaft der Zukunft sein.
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