Fangen, Frosten, Forschen

Vom Ärgernis zum Forschungsobjekt: Das Projekt zur Kartierung der Stechmückenarten
in Deutschland setzt erfolgreich auf breite Bürgerbeteiligung

Mehr als 2.000 Männer, Frauen und Kinder jeden Alters sind im letzten Jahr auf unkonventionelle Mückenjagd gegangen: In aller Ruhe durften die ungeliebten Blutsauger sich setzen und oft sogar zustechen, bevor sie vorsichtig in einem ausrangierten Marmeladenglas oder einem Plastikbecher gefangen und dann in den Gefrierschrank verbannt wurden. Klingt nach einem makabren Hobby, dient jedoch der Wissenschaft.

Um die Verbreitung der Mückenarten in Deutschland flächendeckend zu erfassen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschafts-Forschung ZALF und des Friedrich-Loeffler-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit FLI, im Jahr 2012 das Projekt „Mückenatlas" ins Leben gerufen. Weltweit gibt es rund 3.500 Stechmückenarten, 50 davon wurden bisher in Deutschland nachgewiesen. Da ihre Bearbeitung in Deutschland wissenschaftlich lange vernachlässigt wurde, fehlt grundlegendes Wissen über ihr Vorkommen und ihre regionale Verbreitung. Faktoren wie Globalisierung und Klimaveränderungen begünstigen zudem die Einschleppung und Ansiedlung nicht-einheimischer Stechmückenarten, von denen einige Krankheitserreger übertragen können.

Über Stechmücken und ihre Verbreitung gibt es in Deutschland derzeit nur wenige gesicherte Daten. Zwar kann über den klassischen Weg – das Aufstellen von Mückenfallen im Gelände – eine solide Datenlage erreicht werden, allerdings fehlte den Forschern Zugang zu bestimmten Bereichen. „Wir waren sehr neugierig auf die Mückenarten, die sich in Häusern aufhalten, und ob sich das breite Spektrum von Arten dort widerspiegeln würde“, erklärt Dr. Doreen Werner – Projektverantwortliche am ZALF – den Schritt in die Öffentlichkeit. „Wir wurden beim Aufstellen der Mückenfallen oft gefragt, ob wir nicht auch erforschen können, welche Mücken es in den Kellern oder in den Gärten der Anwohner gibt.“

Einige Presseinfos und zahlreiche Interviews weiter zeichneten sich die neuen Möglichkeiten dieser Bürgerbeteiligung ab. Mehr als 6.000 Stechmückenexemplare erreichten das Team im Jahr 2012 und schon nach den ersten Einträgen im Mückenatlas war klar: Hier wird eine qualitativ hochwertige Datenlage erreicht, die ohne intensive Bürgerbeteiligung nicht denkbar wäre. 33 verschiedene Arten wurden bisher eingesandt, darunter auch eine Überraschung. Unabhängig voneinander hatten in den Sommermonaten 2012 mehrere Einwohner des Großraums Bonn Exemplare der exotischen Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus) zur Identifizierung an die Wissenschaftler geschickt. Da diese nicht von einem Zufall ausgingen, machten sie sich nach der Diagnose sofort auf den Weg, um zunächst die nähere Umgebung der Fundorte und dann den weiteren Umkreis zu inspizieren. „Wir fanden schließlich eine Vielzahl von Mücken und deren Larven in Blumenvasen, Gießkannen oder anderen Wasserbehältern, zum Beispiel auf Friedhöfen. Die Buschmücke scheint einheimische Mückenarten zu verdrängen“, sagt Dr. Doreen Werner.

Die Wissenschaftler konnten schließlich einen besiedelten Raum abstecken, der sich über ca. 2.000 km² zwischen Köln und Koblenz erstreckt, wie sie im internationalen Fachjournal „Parasites & Vectors“ berichten.

In einem nächsten Schritt analysierten Susanne Hecker und Monique Luckas von der Pressestelle des ZALF das Medienecho auf den Mückenatlas. Klare Zielvorgabe war herauszufinden, warum der Mückenatlas und das Sammeln von Mücken für die Forschung so überaus positiv in Medien und Bevölkerung aufgenommen wurden. Mit der Auswertung dieser Daten wurde eine Grundlage für die weitere Kooperation und die funktionierende Kommunikation zwischen Wissenschaftlern, Medien und Bevölkerung gelegt, die für Citizen Science-Projekte unerlässlich ist.

Weitere Hintergrundinformationen zum Projekt "Mückenatlas" finden Sie auf der Website.

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