Ein fränkischer Lehrer versorgt Menschen in Afrika und Südamerika mit Sehhilfen. Das leistet über die einzelne Hilfe hinaus enorm viel. Denn der durch mangelhaftes Sehen entstehende Einkommensverlust wird in diesen Regionen auf 120 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt; dies entspricht etwa dem Betrag, der jährlich für Entwicklungshilfe ausgegeben wird.
Mit dieser Biegemaschine lassen sich einfach kostengünstige, stabile Brillen herstellen
(Foto: Martin Aufmuth/OneDollarGlasses)
Etwa 150 Millionen Menschen weltweit leiden laut einer Studie der World Health Organization (WHO) an einer Sehschwäche, können sich aber keine Brille leisten. Die Fehlsichtigkeit führt zu weitreichenden Problemen. Kinder können nicht zur Schule gehen, Erwachsene können oft nicht mehr arbeiten oder einfache Probleme des Alltags lösen, Lesen und Schreiben fällt vielen schwer, weil sie zu schlecht sehen. Viele dieser Probleme könnten mit Hilfe einer Brille gelöst werden. Bisher wurde häufig versucht, mit gespendeten gebrauchten Brillen Abhilfe zu schaffen. Dieses Verfahren bewährt sich aber nur selten, die Brillen müssen mit hohem logistischem Aufwand über weite Strecken transportiert werden und vor Ort ist es meistens unmöglich, eine passende Brille in der benötigten Sehstärke zu finden. Um möglichst viele Menschen mit einer geeigneten Brille zu versorgen, ist es also nötig, vor Ort schnell und kostengünstig hochwertige Brillen herstellen zu können. Um diese Vision verwirklichen zu können, hat der Lehrer Martin Aufmuth aus Erlangen mehrere Jahre getüftelt und schließlich eine Lösung für diese Herausforderung gefunden.
Es ist Aufmuth gelungen, eine leichte und trotzdem sehr stabile Brille aus Federstahldraht herzustellen. Die Materialkosten betragen etwa 75 US-Cent. Der Brillen-Rahmen wird mit einer von ihm entwickelten Biegemaschine hergestellt. Diese ist nur 30 mal 30 mal 30 Zentimeter groß, leicht zu bedienen und benötigt keinen Strom, kann also auch in entlegenen Gebieten ohne Stromanbindung eingesetzt werden. Strom benötigt nur die Fräse, die die vorgefertigten Linsen aus bruchsicherem Polykarbonat einkerbt, sie kann aber mit einer einfachen Autobatterie betrieben werden. Danach können die Linsen ohne Werkzeug mit einem Handgriff in die Rahmen eingeklickt werden. Fertige Linsen gibt es von Minus 6 bis Plus 6 Dioptrien.
Hilfe zur Selbsthilfe
Martin Aufmuth geht es vor allem um Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb hat er bei der Entwicklung der Brille und des Herstellungsverfahrens besonderen Wert darauf gelegt, dass die Brillen von den Menschen selbst hergestellt und vertrieben werden können. Interessierte, geeignete Teilnehmer können sich zu EinDollarBrille-Optikern ausbilden lassen. Aufmuth und der von ihm gegründete Verein EinDollarBrille e.V. bieten dazu Workshops an – bisher in Afrika und Südamerika –, in denen Menschen vor Ort in 14 Tagen eine Ausbildung an den erforderlichen Geräten erhalten. Außerdem lernen die potenziellen EinDollarBrille-Optiker, mit einfachen Sehtests die richtigen Brillengläser für ihre Kunden auszuwählen.
Die hergestellten Brillen werden – je nach Ausführung und wirtschaftlichen Gegebenheiten des jeweiligen Landes – für zwei bis sieben Dollar verkauft. Dadurch bietet das Projekt außerdem neue Verdienstmöglichkeiten, etwa für Frauen, die die Brillen in Heimarbeit herstellen.
Die Materialkosten tragen die EinDollarBrille-Optiker selbst, die Biegemaschinen, die etwa 2.500 kosten, stellt der Verein kostenlos zur Verfügung. An einer Biegeeinheit können drei bis vier EinDollarBrille-Optiker gleichzeitig arbeiten – insgesamt kann eine Maschine von etwa 10 Optikern benutzt werden – und so können zwischen 20.000 und 50.000 Brillen pro Jahr hergestellt werden.
2012 ist Martin Aufmuth mit den ersten Biegemaschinen nach Uganda gereist. Das Projekt wurde begeistert aufgenommen, hunderte Menschen haben bereits in den ersten Tagen ihre neuen Brillen bekommen.
Verschiedenste Hilfsorganisationen und Unternehmen unterstützen inzwischen das Projekt, das 2013 zwei wichtige Preise gewonnen hat: Beim Enactus World Cup 2013 wurde es als bestes Projekt ausgezeichnet und hat außerdem im Oktober den „empowering people. Award“ der Siemens Stiftung gewonnen.
Martin Aufmuth hofft, das Projekt auf weitere Länder ausdehnen zu können und durch die weitere Verbreitung des Projektes seiner Vision, möglichst vielen der 150 Millionen sehbehinderten Menschen in ärmeren Regionen der Welt eine bessere Zukunft zu ermöglichen, näher zu kommen.
Hier gelangen Sie auf die Website von Martin Aufmuth und der EinDollarBrille: www.eindollarbrille.de
Foto oben: Markus Wegner/www.pixelio.de