Im Berliner Veranstaltungszentrum Kalkscheune fand am 8. Juli 2014 die Auftakt-Veranstaltung für das Projekt „BürGEr schaffen Wissen – WISSen schafft Bürger (GEWISS)“ statt. GEWISS ist ein Bausteinprogramm zur Entwicklung von Citizen Science-Kapazitäten in Deutschland, und zwar von wissenschaftlicher Seite. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Dem GEWISS-Konsortium, gemanagt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Museum für Naturkunde Berlin (MfN), gehören neun wissenschaftliche Einrichtungen mit dem Schwerpunkt Öko-Themen an.
Im Berliner Veranstaltungszentrum Kalkscheune fand am 8. Juli 2014 die Auftakt-Veranstaltung für das Projekt „BürGEr schaffen Wissen – WISSen schafft Bürger (GEWISS)“ statt. GEWISS ist ein Bausteinprogramm zur Entwicklung von Citizen Science-Kapazitäten in Deutschland, und zwar von wissenschaftlicher Seite. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Dem GEWISS-Konsortium, gemanagt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Museum für Naturkunde Berlin (MfN), gehören neun wissenschaftliche Einrichtungen mit dem Schwerpunkt Öko-Themen an.
Im einzelnen sind dies: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Friedrich-Schiller-Universität Jena, Berlin-Brandenburgisches Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB), Museum für Naturkunde Berlin (MfN), Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Freie Universität Berlin, Leibniz Forschungsverbund Biodiversität (LVB). Die Webseite des GEWISS-Konsortiums: HYPERLINK "http://www.buergerschaffenwissen.de/" www.buergerschaffenwissen.de
Das BMBF fördert das GEWISS-Projekt vom 1.5.2014 bis 30.4.2016 für die Dauer von zwei Jahren mit 550.000 Euro (an UFZ/MfN). Hinzu kommt die Förderung der Internet-Plattform www.buergerschaffenwissen.de (bei MfN und Wissenschaft im Dialog [WiD]) mit 240.000 Euro für drei Jahre.
Die Veranstaltung hatte 120 Teilnehmer, überwiegend aus der Wissenschaft, aber auch einige wenige Vertreter von Naturschutzorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Zur Begrüßung gab Konsortium-Sprecherin Aletta Bonn (UFZ) eine Einführung in das Thema und die Absichten des Workshops. Es handele sich um „einen offenen Anfang", bei dem Ideen und Inputs aus dem sehr großen Konsortium gesammelt und gebündelt werden solle. „Wo sind die Potenziale? Wo sehen wir es vielleicht auch zu romantisch?", seien Fragen, die man behandeln wolle, um zu einer deutschen Strategie bis 2020 zu gelangen. In England und USA gebe es eine große Tradition des „Volunteering". Auf diese Weise sei in Australien die Biodiversitäts-Erhebung „Atlas of Living Australia" entstanden. Vielleicht ein Vorbild für Deutschland. Aletta Bonn ging auf europäische Maßnahmen ein, etwa ein Green Paper zu Citizen Science oder die European Citizen Science Association, deren Sekretariat in Berlin angesiedelt ist. Sie zitierte den früheren EU-Forschungskommissar Potočnik, der als Ziel der europäischen Aktivitäten zur Stärkung der Bürgerwissenschaften ausgegeben hatte, in den nächsten fünf Jahren fünf Millionen EU-Bürger an die Wissenschaft heranführen zu wollen.
Was ist Bürgerwissenschaft/Citizen Science?
Die „Arbeitsdefinition" in der Konferenzmappe definiert darunter „Aktivitäten von Bürgern, die aktiv zur Vermehrung von wissenschaftlicher Erkenntnis beitragen". Dies geschehe „in Kooperation mit etablierten wissenschaftlichen Einrichtungen (...) unter Einbeziehung einer breiten Öffentlichkeit bis hin zu gezielter Zusammenarbeit mit spezifischen Interessensgruppen". Als Ziele dieses Ansatzes werden drei Punkte genannt:
Mit anderen Worten: Co-Production und Co-Design in Punkt 1, PUSH und Transfer Richtung Gesellschaft in Punkt 2, Laienwissen bessert Profiwissen in Punkt 3 (der kritischste Punkt).
Aletta Bonn unterstrich den Baustein-Charakter des Vorhabens mit unterschiedlichen Baustellen, darunter die Webseite zur Erfassung der bisherigen Projekte, die Strategie-Erarbeitung 2020 und regionale Veranstaltungen mit einzelnen Instituten.
MinDir. Matthias Graf von Kielmansegg, seit Februar im BMBF für strategische Fragen zuständig, bezeichnete es als Ziel der Forschungspolitik seines Hauses, die Wissenschaft für die Bürger zugänglicher zu machen und Schranken dazwischen abzubauen. Auch wenn mitunter noch an „Wissenschaft mit Bürgerbeteiligung“ die Frage gestellt werde „Ist das noch ernsthafte Wissenschaft?", liege aus Sicht des BMBF Citizen Science im Trend „eine große Chance für Bürger wie für die Wissenschaft" zu werden. Dies impliziere auch neue Formen der Kommunikation zwischen beiden Seiten. „Das wird Anstrengung bedeuten". Es gehe um eine Verbesserung der Debattenkultur und einen stärker rationalen Diskurs „zwischen den getrennten Welten" der Wissenschaft und der Gesellschaft. Kielmansegg verwies an dieser Stelle auf den Streitpunkt der „Grünen Gentechnik", ließ aber offen, ob dieses heute für Deutschland politisch verbrannte Forschungsfeld mit einer „neuen Debattenkultur" doch irgendwie hätte erhalten werden können.
Der BMBF-Mann sprach von einem „grundsätzlichen Wandel hin zur Partizipation", dem sich auch die Forschungspolitik stellen müsse. „Die Menschen wollen mitreden", stellte Kielmansegg fest. Deshalb brauche es neue Instrumente wie Citizen Science, deren Entwicklung sein Haus darum unterstütze. „Kulturwandel in der Partizipation", „Wandel in der Transferkultur" – fortgesetzt klingelten die Change-Metaphern in der Rede des BMBF-Strategen. Allesamt mit der zentralen Intention, die „Sprechfähigkeit" zwischen den Partnern zu erhalten, sogar zu verbessern. Dass dies auch Veränderungen auf Seiten des Wissenschaftssystems mit sich bringen wird, ließ er bei einer kurzen Bemerkung zu politischen gewünschten „Missionsorientierung" der Forschung durchblicken, also der Verpflichtung zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen wie etwa dem Klimawandel. Dieser „Knackpunkt" – der nicht nur andere Kommunikationsformate zwischen Wissenschaft und Gesellschaft erfordert, sondern eine andere Selbstdefinition von Wissenschaft in der Gesellschaft – wurde später in den Workshops teilweise vertiefend angeschnitten.
Der neue Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner, stellte mehrere bereits arrivierte Citizen Science-Projekte vor. Er plädierte dafür, den Themenbereich alsbald über die Naturwissenschaften auch auf die Geistes- und Sozialwissenschaften auszuweiten. (Anm. d. Red.: Siehe dazu das Interview mit Matthias Kleiner in der Rubrik „Aktuelle Berichte“).
Im Hauptvortrag des Vormittags gab der Generaldirektor des Naturkundemuseums, Johannes Vogel, vor dem Hintergrund seiner britischen Erfahrungen und seiner Funktionsträgerschaft als Präsident der European Citizen Science Association (ECSA) Einblick in die internationale Entwicklung der Bürgerwissenschaft. Vogel ist die treibende Kraft der Citizen Science-Bewegung in Deutschland. Vor seinem Berliner Amt war er Botanik-Kurator am legendären Londoner Natural History Museum, und baute dort die Citizen Science-Abteilung von null auf 14 Mitarbeiter aus. „Demokratie braucht wissenschaftlich sprechfähige Bürger" ist Vogels Credo, und aus seiner Tätigkeit im nicht unumstrittenen deutschen Bioökonomierat wisse er: „Wir müssen die Menschen bei neuen wissenschaftlichen Richtungen mitnehmen und Teilhabe gewährleisten". Den Umfang der Wissenschafts-Interessierten in Deutschland schätzte Vogel auf der GEWISS-Tagung auf die Hälfte der Bevölkerung. Davon seien drei bis fünf Prozent für eine engere Kooperation mit Wissenschaftler zu gewinnen, ein Prozent seien es derzeit.
Jeder hat das Zeug zum Forscher!
Johannes Vogel zur Citizen Science-Plattform Bürger schaffen Wissen
Video auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=LnPcqCndlyI
Anschließend wurde in vier Workshops mit dem Ziel diskutiert, zentrale Punkte für die weitere Arbeitsplanung des GEWISS-Konsortiums zu definieren.
1. Bedeutung von Citizen Science für die Forschung.
2. Bedeutung von Citizen Science für die Gesellschaft.
3. Bedeutung von Citizen Science für die Politik.
4. Citizen Science 2.0 – Digitale Wissenschaftskommunikation.
Drei Fragen sollten in allen Workshops behandelt und beantwortet werden:
Die Ergebnisse des Workshops sollten später auf der Website des Konsortiums dokumentiert werden. Bis Mitte August 2014 war das aber noch nicht gelungen.
Manfred Ronzheimer
Foto: Karl-Heinz-Laube/www.pixelio.de
Foto oben: Markus Wegner/www.pixelio.de